Die genetische Kettenreaktion auf dem Prüfstand.
Interdisziplinäres Symposium zur Gene Drive Technologie

Bern, 24. Mai 2019

Heute diskutieren 120 internationale Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen die Gene Drive Technologie auf einem interdisziplinären Symposium in Bern. Zeitgleich wird auch ein neuer Bericht zu Gene Drives veröffentlicht und präsentiert. Veranstalter und Herausgeber des Berichts sind drei Wissenschaftsorganisationen, die Critical Scientists Switzerland (CSS), das European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER) und die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), die damit einen kritischen Diskurs in der Öffentlichkeit anstoßen möchten.

Ricarda Steinbrecher, Molekulargenetikerin und VDW-Mitglied, erklärte zu Beginn die Funktionsweise von Gene Drives, ihre Risiken und Grenzen: „In dem Bericht zeigen wir gravierende Einschränkungen der Technologie auf: bei vielen Organismen ist die Wirkung begrenzt, außerdem treten früh Resistenzen oder unerwünschte Effekte auf.“ Kevin Esvelt, einer der Erfinder der Technologie und Leiter des Forschungslabors Sculpting Evolution am MIT Media Lab in Massachusetts vertritt die Meinung, dass gentechnisch veränderte Populationen wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden könnten. Dagegen erklärt Steinbrecher, dass derzeit propagierte Strategien, die dies möglich machen sollen, nur theoretische Modelle seien.“ Esvelt wird später an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Am Nachmittag stellen weitere Wissenschaftler die sozialen, ethischen und regulatorischen Aspekte der Gene Drive Technologie vor.

„Es ist wichtig, dass die neuen Erkenntnisse zur Gene Drive Technologie in der Öffentlichkeit verbreitet werden,“ meint Mareike Imken von Safe our Seeds, Teilnehmerin am Symposium. „Derzeit gibt es zu viele euphorische Stimmen. Diese lassen die unvorhersehbaren Auswirkungen von Gene Drives auf unsere stark geschädigtes Ökosystem völlig außer Acht und propagieren die Technologie als das neue Wundermittel gegen Malaria“, ergänzt sie.

Ali Tapsoba von Terre A Vie, ebenfalls Teilnehmer am Symposium, kritisiert das Forschungsprojekt Target Malaria: „Die Bevölkerung aus Burkina Faso hat dem Projekt nicht unter dem Prinzip der freien und informierten Einwilligung zugestimmt. Wir möchten nicht die Versuchskaninchen eines gefährlichen Experiments sein. Außerdem verfügen wir über lokales Wissen zum Umgang mit dieser Krankheit.“

Mit der Entwicklung der „Genschere“ CRISPR/Cas ist es möglich geworden, die Idee einer sogenannten „genetischen Kettenreaktion“ zu verwirklichen. Hierbei sollen Gene Drive Organismen (GDOs) gentechnisch veränderte Gene schnell in Wildpopulationen ausbreiten, indem sie die klassischen Vererbungsregeln außer Kraft setzen. Dadurch könnten ganze Populationen und Arten dauerhaft und grundlegend modifiziert oder sogar ausgerottet werden.

In dem Bericht wurden erstmals aktuelle Erkenntnisse aus einer interdisziplinären Perspektive über die Gene Drive Technologie zusammengetragen und kritisch beleuchtet.